Abenteuerliche Studien. Deutsche Studenten im frühneuzeitlichen Frankreich.

Vortrag mit Prof. Dr. Wilhelm Kühlmann "Abenteuerliche Studien: deutsche Studenten im frühneuzeitlichen Frankreich" in der Eutiner Landesbibliothek am 20.4.2022

Spätestens seit dem 16. Jahrhundert gehörte es sich für karrierebewusste Studenten der Medizin oder Rechtswissenschaft, ihre Studien in Italien oder in Frankreich zu vervollkommnen. Studienreisen ins frühneuzeitliche Frankreich behandelt jetzt ein Vortrag, den der renommierte Literaturwissenschaftler Professor Dr. Wilhelm Kühlmann (Heidelberg) am 20. April 2022 um 19:30 Uhr in der Eutiner Landesbibliothek halten wird. Kühlmann wird in diesem Vortrag ein farbiges Bild einer einst verbreiteten Praxis der Studentenreise zeichnen, das sich aus autobiographisch inspirierten Texten aller möglichen Genres gewinnen lässt.

Aus den Texten, die Studenten in der Frühen Neuzeit von ihren Aufenthalten an französischen Universitäten verfassten, lassen sich die Ziele und Probleme erkennen, die damals und oft auch noch heute junge Menschen treffen, die im Ausland studieren. Wo heutzutage die Kurznachricht per Mobiltelefon mit Schnappschuss gesendet wird, entstanden vom 16. bis 18. Jahrhundert eine Vielzahl von kleineren und größeren Schriften, die längst nicht alle zum Druck gelangten. Erfahrungen und Erlebnisse fanden ihren Niederschlag in Anleitungs- und Ratgeberliteratur aller Art, darunter Sprach- und Routenführer nebst Handreichungen zur Landeskunde, akademische Abhandlungen zur ‚Reisekunst‘, Handbücher zur medizinischen Sorge und Vorsorge unterwegs, aber ebenso in einer vielgestaltigen Versdichtung, die komplette Reiseberichte oder einzelne Ereignisse, die dem Verfasser in der Fremde widerfahren sind, literarisch gestalten. Errettung aus Seenot, Liebesgeschichten, Abschiede und Willkommen, Freundesgefühle und immer wieder Freudensprünge über das Erlebnis des Südens werden da thematisiert. Ratschläge werden erteilt, nicht betrunken zu reiten oder dazu, wie man unterwegs sein wundes Hinterteil behandeln sollte. Und nicht selten waren Trauer über Krankheit und Tod zu bewältigen oder Fanatiker in Zeiten der tiefen konfessionellen Konflikte und Abneigungen zu umgehen.

Prof. Dr. Wilhelm Kühlmann ist einer der großen Spezialisten der frühneuzeitlichen Literatur Deutschlands, wobei er neben der deutschsprachigen Überlieferung wie wenige andere ebenso gut die lateinische Textproduktion überblickt. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist die Literatur und Kulturgeschichte des 16. bis 18. Jahrhundert, unter Einschluss der Wissenschafts-, Bildungs- und Sozialgeschichte. Kühlmann ist Verfasser oder Herausgeber von mehr als 70 Monographien, Editionen und Sammelbänden, er verantwortete u.a. die Neubearbeitung des wichtigsten biographischen literaturwissenschaftlichen Lexikons in 13 Bänden, er veröffentlichte außerdem fast 240 wissenschaftliche Aufsätze und verfasste mehr als 200 teils umfangreiche Artikel in Fachlexika. Viele seiner Publikationen sind zu Standardwerken geworden.