Aus den historischen Bauakten des »Cavalierhauses« im Landesarchiv Schleswig-Holstein konnte vor einigen Jahren die originale Farbgebung des Gebäudes von 1840 rekonstruiert werden: Die Fassade war damals kalkweiß, die Fenster (mit Ausnahme der Eingangstür) lediglich geölt. Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde 2019 ein Musterfenster (Stolbergstraße, letztes Fenster im Erdgeschoss links) vom Fensterrestaurator Volker Marten (Runkel an der Lahn) in historischer Leinöltechnik restauriert. Mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalpflege und des Landesamts für Denkmalpflege Schleswig-Holstein soll noch in diesem Jahr mit der Restaurierung der Fenster und Türen der Ost- und Nordseite des Kavalierhauses begonnen werden. Die Objekte in dieser Vitrine und die Erläuterungstafel an der Wand gegenüber informieren über die aufwendige, aber sehr nachhaltige historische Technik der Holzkonservierung mit Leinöl und Leinölfarben.

Vorher: Risse im Kunstharz

Kunstharzbeschichtungen vertragen sich im Außenbereich nicht mit Holz und Metall. Den klassischen Leinölverfahren sind sie funktional und wirtschaftlich unterlegen. Doch die hochglänzenden Kunstfarben setzen sich ab 1950 in kürzester Zeit weltweit durch. Während Leinöl in das Holz eindringt, dort aushärtet und es wetterfest macht, kommt es bei Kunstharzbeschichtungen zwangsläufig zu Rissen. Feuchtigkeit dringt ein, Holz verfault und verrottet, Eisen rostet.

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Nachher: Leinölkonservierung und -farbe schützen auf Dauer

Der schwedische Fensterpionier Hans Allbäck hat in den 1980er Jahren diesen Zusammenhang systematisch untersucht. Er fragte sich, warum alte Holzfenster Jahrhunderte unbeschadet überstehen, neue Fenster aber schon nach wenigen Jahren Feuchtigkeitsschäden aufweisen. In deutschen Handbüchern aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert fand er die Antwort: das klassische Leinölverfahren. Sein praktischer Erfindergeist führte ihn zu einer wegweisenden Innovation, die jetzt auch im Cavalierhaus Anwendung findet: Mit speziellen Infrarotgeräten und heißem Leinöl, so entdeckte Allbäck, lassen sich die schädlichen Kunstharzbeschichtungen von Holz wie Metall schonend entfernen. Substanzschädigendes Ablaugen, abbeizen oder abschleifen sind nicht erforderlich. Anschließend erfolgt die Wiederherstellung der ursprünglichen Fensterqualitäten mit der klassischen Leinölmethode.

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Musterfenster im Cavalierhaus am Schlossplatz

Auf Initiative der Kulturstiftungen des Kreises Ostholstein wurde im Jahr 2019 die Musterrestaurierung eines Fensters im Cavalierhaus realisiert. Instandgesetzt wurden dabei der bauzeitliche Blockrahmen aus Eiche sowie die äußeren Fensterflügel aus Weichholz. Die Farbgebung erfolgte in Abstimmung mit dem Landesdenkmalamt. Ziel der Musterrestaurierung war es, den Zustand und die Instandsetzungsfähigkeit zu ermitteln. Das Ergebnis: Der historische Fensterbestand ist instandhaltungsfähig und instandhaltungswürdig. Die bauzeitlichen Blockrahmen sind von überdurchschnittlicher Qualität. Die Flügelrahmen und Sprossen aus Weichholz sind weitgehend intakt, sollten aber von den Kunstharzbeschichtungen der letzten Jahrzehnte befreit und anschließend nach dem Verfahren des Fensterhandwerks mit Leinöl und Leinölfarbe instandgesetzt werden. Der wertvolle Fensterbestand des Cavalierhauses könnte so dauerhaft gesichert werden. Damit würde nicht nur den Belangen des Denkmalschutzes Rechnung getragen. Auch Multifunktionalität und Wirtschaftlichkeit der Verbundfenster wären wiederhergestellt. Dies gilt auch für die Energieeffizienz: Nach jüngsten Forschungsergebnissen können es Kastenfenster und Verbundfenster auch in Sachen Energieeffizienz mit modernen Fenstersystem aufnehmen.
(Abschlusspräsentation am 26.2.2020 des Berliner Forschungsprojektes „Fenstervergleich“ von TU Berlin und HTW Berlin.)

Arbeitsschritte der Musterrestaurierung

Rahmen mit Probeanstrich

1. Arbeit vor Ort am Blockrahmen:
Aushängen der Flügel, Beschichtungsentfernung mit Infrarotgerät und heißem Leinöl vor Ort, Wiederaufbau der Leinölkonservierung

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Flügel in der Werkstatt

2. Arbeit in der Fensterwerkstatt: Ausglasen, Kittentfernung, Beschichtungsentfernung,Leinölkonservierung, Holzreparaturen, Metallarbeiten

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Flügel im Rahmen. Richtung in der Werkstatt.

3. Richten der Flügel im Blockrahmen vor Ort: Die Flügel werden in den Blockrahmen eingepasst und gerichtet
4.Farbanstriche am Blockrahmen: Drei Farbanstriche für den Rahmen vor Ort
5. Fertigstellung der Flügel in der Werkstatt: Einglasen, drei Farbanstriche, Glasreinigung
6. Auslieferung

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Mittel zur Bearbeitung eines Fensters mit Leinöl. Obere Reihe (von links nach rechts): exemplarisches Fenster, drei verschiedene Bearbeitungsstufen von Leinöl, Mörser. Untere Reihe (von links nach rechts): getrockenete Leinsamen, Winkel aus Metall, Werkzeug, getrocknetes Leinöl.

Benötigte Mittel zur Restauration eines Fensters mit Leinöl.

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