Katalog Reiseliteratur - Expertensuche

Signatur: Ly 3096
Kingsley, Mary Henrietta:
Travels in West Africa : Congo Français, Corisco and Cameroons. With a new introduction by John E. Flint. 3. ed. - London: Frank Cass & Co. 1965. XXX, 743 S. Mit Abbildungen.

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Die englische Forschungsreisende und Ethnologin Mary H. Kingsley (1862-1900) ist eine der unkonventionellen, von der Entdeckungsgeschichte gern vergessenen Afrikaforscherinnen. 1893/94 bereiste sie die westafrikanische Küste von Sierra Leone bis Angola; 1894/95 führte eine zweite Expedition sie nach Gabun. Kingsley starb relativ jung, jedoch nicht an den Folgen dieser Reisen, sondern am Typhus, den sie sich als Krankenpflegerin im Burenkrieg zugezogen hatte. Obwohl sie keine wissenschaftliche Ausbildung (und kaum Schulbildung) hatte, ist sie als wissenschaftliche Reisende anzusehen. Sie sammelte Insekten, Reptilien und präparierte Fische für das Britische Museum, vor allem interessierte sie aber die traditionelle Lebensweise der Afrikaner, ihre materielle Kultur und ihre kulturellen Überlieferungen. Sie trat nachdrücklich gegen den Sklavenhandel ein und propagierte die damals noch ungewöhnliche Ansicht, dass Afrikaner weder »primitiv« oder »unterentwickelt« seien und deshalb den Europäern nicht unbedingt unterlegen seien.
Die erste Reise 1893 führte von England nach Freetown in Sierra Leone, von dort reiste sie mit dem Schiff die Küste entlang nach Süden bis Luanda in Angola, dann wieder nach Norden bis Cabinda, und auf dem Kongo bis Matabi. Zu Fuß und mit der Eisenbahn durchquerte sie dann die Küstenregion von Kongo und Gabun und erreichte Libreville, von wo sie ein Schiff nach England nahm. Die zweite, besser vorbereitete und mit wissenschaftlichem Material ausgestattete Reise begann im Dezember 1894 und führte zunächst nach Calabar im Süden Nigerias. Kingsley erforschte die Region des Cross River und die Insel Bioko, danach das Mündungsgebiet des Ogooué in Französisch-Kongo (heute Gabun) zwischen Libreville, Port-Gentil und Lambaréné. Im Kanu gelangte sie den Fluss Ogouoé aufwärts bis zu den Alembe-Stromschnellen. Danach wagte sie sich von Lambaréné in das Gebiet zwischen Ogooué und Remboué zum berüchtigten Volk der Fang, die als Kannibalen galten. Bevor sie nach England zurückkehrte, ging sie noch in Kamerun an Land und bestieg, vermutlich als erste Frau, den Kamerunberg. Auf ihren sehr abenteuerlichen Reisen durchquerte sie Regionen, die von Europäern noch nicht betreten worden waren, wobei sie mehrfach nur knapp mit dem Leben davonkam. Ihr humorvoll geschriebener, publizistisch damals sehr erfolgreicher Reisebericht »Travels in West Africa« erschien London 1897 und trug maßgeblich zu einer kritischeren Sicht auf den Sklavenhandel und auf den britischen Kolonialismus bei. Eine zweite (gekürzte) englische Ausgabe erschien 1900. Eine (vermutlich gekürzte) deutsche Übersetzung erschien 2013 mit dem Titel »Reisen in Westafrika durch Französisch-Kongo, Corisco und Kamerun 1895« in der Edition Erdmann. Eine frühere Auszugsübersetzung erschien bei Bertelsmann 1989 mit dem Titel »Die grünen Mauern meiner Flüsse«. Mary Kingsley veröffentlichte 1899, kurz vor ihrem Tod, noch ein zweites Buch, »West African studies«.
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Reiseorte: Afrika; Westafrika; Zentralafrika; Sierra Leone; Angola; Luanda; Cabinda; Kongo (Fluss); Kongo-Gebiet; Gabun; Kamerun