Heutelia, Das ist: Beschreibung einer Reiß, so zween Exulanten durch Heuteliam gethan, darinn verzeichnet 1. Was sie denckwürdig gesehen ... - Lutetia [= Ulm] 1658. 8 ungez., 297, 13 ungez. S.
Erste Ausgabe der bissigen Satire auf die Schweiz, deren Autorenschaft bis heute nicht eindeutig geklärt ist. Offenbar nicht jedem Exemplar wurden die beiden Blätter »Clavis Heuteliae« beigegeben, der Schlüssel für die zahlreichen Anagramme und Verballhornungen.
Das Buch beschreibt die Reise eines pfälzischen Edelmannes und eines würtembergischen Rechtsgelehrten, beide reformierte Flüchtlinge des 30jährigen Krieges, durch die Schweiz, besonders das Gebiet um Bern. »Trotz junkerlichem Hochmut und gelehrter Spitzfindigkeit steckt im ganzen viel gesunder Menschenverstand . Die Haltung zur Welt ist frei und überlegen; sie missbilligen die Anwendung der Folter, verurteilen die obsoleten Rechtsbrüche, rügen die bernische Münzverschlechterung, verdammen die Kriegslust der Fürsten. Besonders reich ist der sittengeschichtliche Ertrag. Die Reisenden fragen jeden aus, meistens die Wirte, deren gesellschaftliche Stellung, die hier deutlich wird ... Lob und Tadel werden nach Orten verteilt. Zürich kommt gut weg. Basel wird auf der Reise nicht berührt, nur aus der Ferne mit dem Scheinwerfer boshaft grell beleuchtet. Gar von Bern entwerfen sie ein breites, schonungsloses Sittengemälde, das die Stadt in Aufruhr brachte... Im ganzen zeigen sich die beiden Reisenden mehr schaufähig als einsichtig« (Feller-Bonjour).
Gleich bei seinem Erscheinen erregte das Werk großes Aufsehen. Im sonst eher großzügigen Bern war die Entrüstung so groß, daß man das Büchlein mittels eines Reigierungsausschusses unterdrücken wollte; Heutelia war erst das zehnte Werk, dem diese »Ehre« zuteil wurde. Der Verfasser konnte nicht zur Rechenschaft gezogen werden, da er damals, wie auch heute noch, unbekannt war. Aber bereits im 17. Jh. hielt man den aus Straßburg stammenden Bankierssohn Jacob von Graviseth, der in die Schweiz übersiedelte und Bürger von Bern wurde, für den Autor; er starb im Erscheinungsjahr. Weitere Anwärter auf den Titel des Verfassers sind der pfälzische Emigrant Hans Franz Veiras (sein Text, der aufgrund einer wirklichen Reise entstand, soll von Graviseth später überarbeitet worden sein), der deutsche Flüchtling Johann Heinrich von Traunsdorff und der durch seine Unfälle bekannte N. Breitschwerd. Wie aus historischen Erwähnungen geschlossen werden kann, ist der Text, wer auch immer ihn verfasst haben mag, zwischen 1638 und 1639 entstanden; mit der Veröffentlichung wartete der vorsichtige Autor also gute zwanzig Jahre.
Nachweise: Ant. Erasmushaus I X 71; Faber du Faur 448; Holzm.-Boh. 9421
Standorte: 23; 27
Sachbezug: Flucht; Krieg; Sittengeschichte; Justiz
Personenbezug: Graviseth, Jacob von; Veiras, Hans Franz; Traunsdorff, Johann Heinrich von; Breitschwerd, N.
Geographischer Bezug: Schweiz; Zürich; Basel; Bern;
BibliografieDeutschsprachige Reiseliteratur vom 18. bis 20. Jahrhundert
© für die Datenzusammenstellung und inhaltliche Erschließung: Wolfgang Griep, Eutin